"Diptyque" - als Altarbild in der Oppenheimer St. Katharinen Kirche (bitte klicken Sie auf das Bild, um es zu vergrößern)
„L‘Ascension“ - Vierteiliger Zyklus 

Die Synästhesie (von altgriechisch synaisthanomai, deutsch ,mitempfinden’ oder ,zugleich wahrnehmen’) bezeichnet hauptsächlich die Kopplung zweier oder mehrerer physisch getrennter Bereiche der Wahrnehmung, etwa Farbe und Temperatur, Ton, Musik und Räumlichkeit. ln der Rhetorik steht der Begriff Für das Vermischen von Sinnesebenen. Aber auch unabhängig von einer solchen Begabung und unterhalb der Ebene reflektierter Wahrnehmung oder bewusster Analyse und Interpretation fliegt uns von Zeit zu Zeit die eigentümliche Korrelation von Visuellem und Auditivem an: Gehörtes, musikalische Motive, lassen Bilder aufblitzen, Gesehenes, ein Bild, lässt im Kopf eine Melodie entstehen. Diese Verbindung von Musik und Malerei zeigt sich auch auf der Ebene der Beschreibung: Soll Musik in Worte gefasst werden, bedient man sich nicht selten der Begriffe, Metaphern, Bezeichnungen aus der Malerei, wie umgekehrt bei der Beschreibung von Gemälden die Terminologie der Musik zu Rate gezogen wird.Und überdies: Werke der bildenden Kunst geraten zur lnspirationsquelle Für Komponisten; ebenso lassen sich bildende Künstler immer wieder von Musik inspirieren.

So auch Johann P. Reuter. Unter dem Titel Hommage á Messiaen versammelt Reuter eine Reihe über mehrere Jahre hinweg entstandener Arbeiten, die das Oeuvre des französischen Komponisten Olivier Messiaens ausloten. Einen besonderen Reiz stellt dabei die Tatsache dar, dass Messiaen über die eingangs beschriebene Fähigkeit der Synästhesie verfügte. Die Korrespondenz von Farben und Tönen basiert bei Messiaen auf kosmologischen Klangvorstellungen.
Reuters Zugang zu Messiaen ist nicht analytisch, sondern frei, subjektiv und interpretierend. Der Maler überträgt weder die Farb-Ton-Analogien noch individuelle Kompositionsprinzipien Messiaens auf die Leinwand. Vielmehr handelt es sich bei Reuters Arbeiten um eine Form assoziativer Musikmalerei, die dem einen Medium nicht die Strukturprinzipien des anderen aufzwingt. Die Malerei folgt ihren eigenen, genuinen Gestaltungsmitteln und kann gerade darum ein „Zusammenspiel“ beider Medien ermöglichen. Ganz in diesem Sinne postulierte Theodor W. Adorno bereits 1965: „Die Künste konvergieren nur, wo jede ihr immanentes Prinzip rein verfolgt.“

Dr. Susanne Kolter